Martha hat Kommunikationsdesign studiert und danach in multidisziplinären Designagenturen in verschiedenen Städten in Deutschland und Österreich gearbeitet.
Bis sie dank Corona nicht mehr so easy zum Färben gehen konnte. Ihr früh ergrautes Haar versteckte sie schon seit sie Mitte 20 war. Nach und nach zeigte sich nun ihr Ansatz und sie setzte sich intensiv mit ihrem Alter und dem Silberwerden auseinander. Dieser Prozess war gleichzeitig der Anstoß wieder neue Dinge auszuprobieren, auch einen Goldschmiedekurs, der alles verändern sollte.
Mit dem Start in die Selbstständigkeit vor zwei Jahren lag es auf der Hand ihre eigene Story mit der ihrer Schmuckbrand zu verknüpfen.
Mit Silver Sister reiht sich Martha in die weltweite Community von Frauen ein, die ihr graues Haar in jedem Alter feiern.
Wie geht es dir, wie kommst du hier an?
Ich bin natürlich ein bisschen nervös und aufgeregt und versuche gerade in meinen Körper zurückzukehren und hier anzukommen.
Ich habe so etwas wie heute ja noch nie gemacht…ich wurde zwar schon oft gefragt, ob ich für Freunde mal vor der Kamera stehen will, habe aber aus Unsicherheit immer abgelehnt.
Als ich eure Bilder gesehen habe, konnte ich zum ersten Mal spüren, dass ich mich vor eure Kamera trauen und mich zum ersten Mal als Mensch zeigen kann.
Genau das ist es ja, was das Selbstständig-Sein ausmacht. Der Start mit meiner Schmuckbrand ist schon ein Prozess gewesen… Das Ganze anzugehen, zu entwickeln und dahin zu kommen, wo ich jetzt bin und wo ich mich in Zukunft sehe.
Ich versuche, mit der Marke und meiner Arbeit gleichzeitig zu wachsen und mich auch
persönlich immer weiterzuentwickeln.
Wer bist du als Mensch?
Was macht dich aus?
Ich würde sagen, dass die eine Eigenschaft, die mich ausmacht, mein Humor ist. Ich mag
Humor. Ich mag Humor auch bei meinen Kindern oder bei meinen Mitmenschen.
Ich finde, das hilft ungemein, den Widrigkeiten im Leben zu begegnen. Vielleicht nicht immer im Moment an sich, aber definitiv in der Retrospektive. Unser Lächeln auch dann nicht zu verlieren, wenn uns das Leben die Schwierigkeiten einfach so vor die Füße schmeißt.
Sich selbstständig zu machen, ist ja auch einfach ein Ritt. Es gibt so viele Dinge zu beachten und vieles versteht man so ganz am Anfang noch überhaupt nicht.
Da ist es natürlich hilfreich in den Austausch mit anderen Selbstständigen zu gehen und einfach mal über Dinge, die schieflaufen zu lachen.
I used my anger as a catalyst
for myself.
Was bedeutet es für dich selbstständig zu sein?
Ich glaube vor allem Freiheit. Es bedeutet für mich Vereinbarkeit für all die Dinge, die man
machen muss und machen will im Leben.
Ich kenne auch die andere Seite. Ich war lange Zeit festangestellt, meist in Vollzeit. Das hat auch seine Vorteile, klar. Ich konnte meistens Feierabend machen, wenn ich Feierabend hatte. Ich hatte Sicherheit, vor allem auch finanziell. Ich konnte viel lernen in einem Verbund mit anderen Menschen, Strukturen und Arbeitsweisen. Das fand ich inspirierend und sehr lehrreich.
Für mich finde ich gut, dass ich beides kenne.
Mit dem Wissen, das ich über all die Jahre gesammelt habe, kann ich heute in der Selbstständigkeit, vor allem in einer kreativen Selbstständigkeit das Beste aus beiden Welten
für mich nutzen.
eventually we all age.
Was macht dich wütend?
Ich hatte am Anfang echt damit zu kämpfen, dass ich als Person, die noch einmal neu
durchstarten will, nicht ernst genommen wurde. Das hat mich manchmal echt wütend
gemacht. Und auch damit, dass am Anfang viele meine Idee nicht verstehen wollten: „Du
willst jetzt Schmuck für Grauhaarige machen? Ist das dein Ernst?“
Aber darüber wütend zu sein, war ein guter Katalysator, den ich für mich nutzen konnte. Es war mein Antrieb, zu sagen: „Genau das ist das Problem!“ Denn ich war mir ganz am Anfang gar nicht sicher, ob ich mich wirklich trauen sollte, mit dem Thema überhaupt Raum einzunehmen.
Zu Ergrauen war für mich lange Zeit mit viel Scham behaftet. War es doch immer etwas, was es zu kaschieren galt, weil Frauen mit Silberhaar in jungen Jahren vor einigen Jahren noch quasi unsichtbar waren. Wenn ich damals einer Frau im Supermarkt über den Weg lief, die ihr graues Haar mit Stolz trug, wollte ich schon fast winken. Um ihr zu zeigen, dass ich sie sehe und eigentlich dasselbe fühle.
Es freut mich total, dass das Thema heute ein bisschen normaler geworden ist. Und doch ärgert mich, dass es keine wirkliche Rolle spielt. Auch in der Werbung ist silbernes Haar unterrepräsentiert, maximal ein Randthema für die Kosmetikindustrie. In meinem Prozess des Silberwerdens haben mir die tollen Silver Sisters, die ich auf Social Media und im Internet entdeckt habe, so viel Kraft geschenkt.
Ich finde, unsere Sehgewohnheit darf sich noch weiterentwickeln. Für Fotoshootings wähle ich daher bewusst nur Models, die bereits ganz grau sind oder sich entschieden sich langsam ergrauen zu lassen. Das ist nicht nur Inspiration, sondern Empowerment! Ich verstehe meine Brand als Teil der Silver Sisters Bewegung und möchte weiter zur Normalisierung von natürlicher Schönheit
beitragen. Dafür suche ich auch den Austausch, live, aber auch mit den vielen Fans mit grauem Haar auf Social Media.
a small thing,
like being kinder to ourselves, can make a big difference.
Was gibt dir Hoffnung?
Ich merke, dass sich im Kontext von Body Shaming, Body Positivity und Aging gerade sehr viel tut. Natürlich gibt es immer auch eine Gegenbewegung, da muss man sich nur den Trend zu Botox oder Lipfillern bei 20-Jährigen ansehen…aber das ist immer so ein
Zusammenspiel.
Gleichzeitig sehe ich, dass sehr viele Frauen in Leipzig ihre natürliche Haarfarbe tragen und es immer akzeptierter wird. Ich glaube daran, dass sich mit dieser neuen Normalität noch mehr verändert, sich Frauen noch selbstbewusster positionieren und lieb zu sich und ihren Körpern sind, egal, wie er sich verändert.
Am Ende altern wir alle. Warum sollte das nur faltenfrei und gefärbt gehen? Ich glaube, wir dürfen diesen ganzen Alterungsprozess mit Würde und Spaß erleben.
Was können wir jetzt tun, um wirklich etwas zu verändern?
Wir haben die Gewohnheit, die Dinge schlechter zu machen als sie sind. Es hilft viel, wenn wir milder zu uns sind, dankbar für unseren Körper und für das, was wir jeden Tag leisten.
Das ist jetzt kein neuer Tipp, aber eine Kleinigkeit, die einen großen Unterscheid machen kann, ohne dass sich gleich alles verändern muss.
Es hilft auch, das mit etwas zu verknüpfen. Das kann auch einfach ein besonderer Ohrring oder eine Kette sein, die uns ein bisschen upliftet und durch den Tag trägt.
DANKE MARTHA! FÜR DICH UND DEIN VERTRAUEN.